Kunsthandwerk und römische Knochenkunst

Wenn der Schmetterling das erste Mal die Flügel ausbreitet und weiß: Die Zeit des Raupendaseins ist vorbei

Einen Hauch dieser Vision bekam ich zu spüren, als ich das erste Mal einer Drechslerin bei ihrem kreativen Handwerk bewusst zusah. Auf einem Michelstädter Weihnachtsmarkt wurde mir beim Beobachten dieser alten Kunst klar: Das ist es, was ich lernen möchte! Und so kehrte ich meinem Beruf als Altenpflegerin den Rücken und begann, erste Schritte auf dem Weg dieses Kunsthandwerks zu gehen. Es ist kaum zu glauben, wie viel Kraft in dem zarten kleinen Geschöpf Schmetterling steckt.
Nach der fünfjährigen Ausbildung, abgeschlossen mit der Meisterprüfung an der Berufsschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk in Michelstadt, wagte ich den Sprung in die Selbstständigkeit.
Inspiriert durch diverse Praktika, insbesondere im Archäologischem Park in Xanten, einer rekonstruierten Römerstadt, wurde meine berufliche Nische immer deutlicher. Dem Alten zu neuem Glanz verhelfen, die Liebe zum Detail und aus alten Funden das zu rekonstruieren, was in seiner ehemaligen Perfektion unglaublich detailliert war. Dieser wunderbaren alten Kunst Leben einzuhauchen und einen kleinen Teil dazu beizutragen, dass sie nicht in Vergessenheit gerät und/oder nur noch in Büchern weiterlebt.
Dies ist auch mit ein Grund, warum ich mich nicht nur mit der römischen Antike intensiv auseinandersetze und Replikate erstelle. Sondern auch auf Römerfesten, Schulen und auch in meiner eigenen „Knochenwerkstatt“ in Darmstadt, Kurse zum Erlernen dieser phantastischen Techniken gebe. Ob für Kinder oder Erwachsene, je nach Material (Knochen oder Geweih) und Vorkenntnissen des Interessierten sowie der Motivation finde ich gemeinsam mit dem Schüler bzw. Kursteilnehmer ein Projekt, welches beispielsweise aus einem schlichten Knochen ein Schmuckstück oder ähnliches wandelt.
Die Grundfertigkeiten wie das Materialwissen, um eigenständig arbeiten zu können, bekommen die Teilnehmer in einem Kurs nahegebracht und können sogar schon nach kurzer Zeit ihr Werk mit nach Hause nehmen.
Eine Herzensangelegenheit ist mir auch die Vermittlung des Bewusstseins darüber, dass Knochen ein lebendiges, wertvolles und hochwertiges Material sind. Es ist zwar ein günstiger Rohstoff,
aber durch seine Verwendung, Bearbeitung und Polierfähigkeit kann es zu einem schimmernden und schillernden Objekt werden: Ob römische Repliken wie Spielsteine, Haarnadeln und Fingerkunkeln
oder filigrane Schmuckstücke bis hin zu Möbelstücken, oftmals in Kombination mit anderen natürlichen Rohstoffen wie beispielsweise Holz. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt.
Fast schon meditativ wandelt sich das „Schlichte“ durch eigenes Wirken in Etwas „Neues“ aus eigener Hand und eigenen Gedanken erschaffen.

Artikel als PDF anschauen

You May Also Like