Ausflug in die Eiszeit

Darmstadt
25.07.2016

Von Dominique Pfeiffer

HANDWERK Bei einem Knochenfest lernen Besucher, mit dem Rohstoff umzugehen

BESSUNGEN – Beim Knochenfest am Samstag in der Ludwigshöhstraße 137a konnten Gäste von Astrid Dingeldey kreativ mit Knochen arbeiten.

Im Garten vor ihrer Werkstatt steht ein Tisch, an dem mehrere Sägetischchen angeschraubt sind. Die Besucher feilen dortan Knochenstücken. Das gereinigte, abgekochte Material stammt vom Mittelfußknochen eines Rinds, aus dem längliche, breite und Knochenscheiben gesägt wurden. „Solange sie nicht kaputtgekocht sind, kann jeder Knochen bearbeitet werden“, erklärt Dingeldey. Sie bezieht den Rohstoff vom Knochenhändler.

Alter und Tierart sind entscheidend

Die Beschaffenheit des Knochens sei abhängig vom Alter, Gesundheitszustand und der Tierart. Geeignet seien die Knochen der Mittelfüße von Pferd und Rind, da sie elastisch und dickwandig sind, lange und große Flächen zum Bearbeiten bieten. „Der Knochen sollte für die grobe Bearbeitung möglichst frisch sein.“

Die Knochenschnitzerin hat das Arbeiten mit dem Material vor 14 Jahren an der „Fachschule für Holz und Elfenbein verarbeitendes Handwerk“ in Michelstadt gelernt und dort ihren Meister gemacht. „Am liebsten rekonstruiere ich Römisches.“ Sie nutze dabei die gleichen Werkzeuge wie die Römer, arbeite nach Original oder Foto. Während eines Praktikums in einem Archäologischen Park legte sie eine Werkstatt an. Museen würden nachfragen, ob sie ihre Knochen anschaue, nach Alter und Tierart beurteile, erklärt Astrid Dingeldey. Seit 2002 ist sie selbstständig, fertigt vielfältige Unikate vom filigranen Schmuckstück bis hin zu Möbeln, die sie auch mit Metall, Holz oder Harz kombiniert.

Die Teilnehmer des Workshops sollen alle Ecken und Kanten rundfeilen, können Muster in den Anhänger ritzen. „Du kannst den Knochen flacher hinlegen, die Feile einfach drüber schieben, dann brauchst du weniger Kraft“, erklärt Betreuerin Kora Werner. Eigentlich denkt man, Knochen seien steinhart. Aber sobald man die richtige Technik raus hat, ist er gut zu bearbeiten. „Man merkt gar nicht, dass es Knochen ist, es könnte auch Holz sein“, meint ein Gast. Seine Nachbarin findet, es fühle sich eiszeitlich an, mache großen Spaß.

Manche Besucher haben Knochen dabei, die in der Werkstatt bestimmt werden. Liv (5) zeigt einen Rinderschädel, den sie vom Schlachter mitgebracht hat. Dingeldey geht auf der Suche nach Tierskeletten auch auf Wiesen und in den Wald. Zwei Tierskelette sind im kleinen Museum der Werkstatt ausgestellt. Dort werden Arbeiten der Drechslerin und die Materialien zum Herstellen ihrer Werke gezeigt.

Geweih

Geweih

Geweih wächst aus den Stirnzapfen der männlichen Hirscharten, wie Rotwild, Rentier und Rehbock, in Form von Stangen. Bei Elchen und Dammwild als Schaufeln. Eine Ausnahme besteht bei weiblichen Rentieren, da diese auch Geweih tragen.

Geweih besteht aus Knochensubstanz. Diese wächst als weiche Masse, mit Bast – der Blut versorgenden Hautschicht – umhüllt, aus der Ansatzstelle des Geweihs am Knochenzapfen des Schädels, der so genannten Rose.

Im Laufe der Zeit, wenn das Wachstum abgeschlossen ist, verhärtet die Knochensubstanz und der Bast wird abgewetzt (gefegt).

Das Geweih wird jedes Jahr abgeworfen, bildet sich nach und wird mit zunehmendem Alter des Tieres immer größer und stärker. Es kann eine Wandungsstärke von 2-4 mm erreichen. Dichte: 2 Mohshärte: 2 – 3

Seine Farbe reicht von hell- bis dunkelbraun. Die inner Schicht ist weiß bis weiß – grau.

Verarbeitet werden hauptsächlich Abwurfstangen, da hier das Wachstum abgeschlossen und die höchste Festigkeit und Wandstärke erreicht ist. Bevorzugt wird das Geweih des Rothirsches verarbeitet. Besonders die Rose ist bei dieser Art groß ausgebildet und wird daher auch oft einzeln gehandelt. Das Rothwild ist ein Pflanzenfresser und ernährt sich hauptsächlich von Gras, Blättern, Baumrinde, Flechten und Pilzen. Als Säugetier besitzt es die Eigenschaften eines Wiederkäuers und gehört zur Gruppe der Paarhufer. Hirsche leben in allen großen europäischen Wäldern und gehören zu den größten Tieren in unseren Breitengraden. Natürliche Feinde hat das Rothwild hier zu Lande nicht mehr.

Geweih wird gedrechselt und beschnitzt.

Horn

Horn

Das Horn sitzt auf einem Knochenzapfen des Stirnbeins, bei allen Horn tragenden Tieren, wie Hausrind, Schaf, Wisent, Ziege, Gämse und Steinbock. Beide Geschlechter tragen je zwei Hörner.

Horn besteht aus Keratin, welches ein nicht wasserlösliches, faseriges Protein ist. Die Zusammensetzung entspricht der von Krallen, Nägeln, Hufen, Federn, Haaren und Stacheln.

Das Horn wird nicht abgeworfen, sondern ein Leben lang getragen.

Hörner sind dünnwandig und besitzen eine massive Spitze. Das Material ist sehr widerstands- und polierfähig und lässt sich optimal einfärben, biegen und in Platten pressen.

Hörner gibt es in verschiedensten Farbvariationen, meist aber bräunlich oder schwarz – weiß.

Sie dienen als Waffe zur Abwehr von Fressfeinden und besitzen eine soziale Funktion bei Kämpfen in Herde oder Rudel.

Bein

Bein

Als Bein werden die Knochen vieler Wirbeltiere, beispielsweise Rinder, Pferde und Hirsche bezeichnet. Aber auch Geweih fällt unter diesen Begriff. Auf Grund seiner Materialeigenschaften wird bevorzugt der Mittelfußknochen des Hinterfußes verarbeitet. Als Röhrenknochen kann er beschnitzt und gedrechselt werden. Die Vorteile für eine technische Verarbeitung liegen in der flachen Außenform, der verhältnismäßig kleinen Markröhre und der Dickwandigkeit.

Heute finden hauptsächlich Knochen von südamerikanischen Rindern Verwendung.Die Knochensubstanz besteht zu circa 30 -37% aus Kollagen und circa 63 – 70% aus mineralischen Bestandteilen, wie Calcium und Phosphat.

Vor der Verarbeitung sollte der Knochen entfettet und eventuell gebleicht werden. Seine Farbe ist gelblich weiß (nach dem Bleichen fast rein weiß), meist ist er aber fettig fleckig.
Dichte: 2,0 Mohshärte: 2

Knochen ist eines der ältesten Schnitzmaterialien. Er wurde seit Beginn der Menschheitsgeschichte verwendet und bearbeitet. Die ersten Geräte, Werkzeuge und Schmuckstücke wurden bereits in der Steinzeit angefertigt.